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"Der Weise"

Autor: Mike
Datum: 20.02.2017
E-Mail: nicht verfügbar




Der Weise

Neulich ging ich - so ganz allein -
durch des Waldes Stille, wo mag' ich jetzt sein?
Ich ging noch weiter, bis in des Waldes Mitte,
da fand ich, verloren, eine einsame Hütte,
davor eine Gestalt, kauernd auf einem Stück Holz,
alt, faltig, langes Haar, irgendwie stolz.

"Du Fremder, woher kommst D u denn gegangen,
hat Dich die Stille des Waldes gefangen?"

Ich sprach: "Ich brauchte Ruhe, suchte mir Kraft,
die die Natur in der Stille mir schafft.
Du, Alter, Du scheinst sehr zufrieden
hier draußen allein, nicht von Hektik getrieben,
Du ruhst in Dir selbst, von Weisheit erfüllt,
sag', ist es so wie ich Dich sehe, in diesem Bild?"

"Ich meide die Hektik der Welt und das Beben,
ich mach' mir Gedanken über das Leben,
über das Dasein und seinen Sinn,
sag', Fremder, wo geh'n D e i n e Gedanken hin?"

"Du bist ein weißer, wohl auch ein weiser Mann,
sag': Komm' ich mit Fragen an Dich heran?"

"Fragen kannst Du, ob mit der Antwort zufrieden,
das sei hinterher allein D i r nur beschieden!"

So hub ich an: "Oh Weiser, gib' Rat,
wenn ich irgendwo bin, hab' kein Geld mehr parat,
meine Kleider, fast genau so wie Lumpen,
kann mir von der Bank keine Gelder mehr pumpen,
kann reisen weder mit Bus noch mit Zug,
höchstens als Schwarzfahrer, das wäre Betrug,
wie stell' ich es an, dass das Leben geht weiter,
nicht ganz so traurig, ein wenig heiter?"

Er sprach: "Geh' nicht betteln, das bringt Dich nicht weiter,
sinn nach, welche Fähigkeit macht Dich wohl heiter?
Spielst Du Musik, bist begabt Du beim Tanzen,
bist ein sportlicher Typ, dann beweg' Deinen "Ranzen",
kannst Du vielleicht schön lerchenhaft singen,
mag das den Leuten in den Ohren wohl klingen,
kannst Du zaubern, kannst zeigen Du manche Tricks,
dann gehörst Du schon zu den Leuten des Glücks,
mach' was aus Deiner Fähigkeit,
dann sind die Menschen zum Geben bereit
und Du bist monetär wieder mal flüssig,
das macht Dich zufrieden, bist nicht mehr so bissig!"

"Das leuchtet mir ein, darf nicht verzagen,
muss mich fortan mit meinen Talenten wohl plagen!"

Er nickte: "Bevor ich weiteres sage:
Wie wäre wohl Deine zweite Frage?"

"Sag' an, weiser Mann,
wenn ich bin an 'nem Ort irgendwann,
wo ich gerade nicht pinkeln kann,
was mach' ich da in höchster Not,
wenn meine Blase zu platzen droht,
zum Beispiel im Zug, das WC ist verstopft,
oder das Klo in der Stadt am Überlauf tropft,
wenn ich halt einfach hab' kein WC
und mir tut immer mehr alles weh!"

Er sprach: "Geh' in Dich, lenk' Dich schnell ab,
bleib' still sitzen,
bring' Dich nicht auf Trab,
denk an was Schönes, an Urlaub (kein Baum!),
lass' vorbei zieh'n Gedanken als schönen Traum,
denk an Freunde, kannst Nägel kauen,
denk auch zuweilen an schöne Frauen!"

Ich nickte: "Ja, das leuchtet mir ein -
ich hab' n o c h 'ne Frage,
wie kann die Antwort wohl sein?"

Er gab mir ein Zeichen, und ich fuhr fort:
"Sag, Weiser, wie komme ich klar,
bin da sehr verbohrt:
Gesetzt den Fall, ich mag mehrere Frauen,
all denen kann zutiefst ich vertrauen,
sag an, wie ich mich entscheide,
ohne dass ich eine Freundschaft durchschneide?"

Er wog den Kopf leicht hin und her,
dann - seine Stimme klang langsam und schwer:

"Die Musik-Klassik, die sagt es uns schon
in schönem Operettenton:
'Wo steht denn das geschrieben
Du darfst nur eine lieben,
man schwärmt ja auch für mehrere,
s'gibt leichtere, s'gibt schwerere ..."

Wieder waren dies weise Worte
an diesem abgeschiedenen Orte.

Und so beschloss ich, meine Schritte heimwärts zu lenken
und dabei an die Worte des Weisen zu denken ...