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""Ich gehe du bist
frei""

Autor: Nel
Datum: 19.12.2022
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Ich gehe du bist frei

Freiheit. Wir sehnen uns nach Freiheit.
Wer schon mal wirklich gefangen war, weiß warum es geht.
Nämlich, dass man allein da steht.
Allein in dieser großen dunklen Welt.
Ohne etwas das uns in der Wirklichkeit hält,
Ohne einen Anker.

Doch es ist nicht nur die Einsamkeit.
Es ist auch, dass jemand anders über dich entscheidet.
Dass er dich Dinge tun lässt, die du gar nicht tun willst,
Dass du nicht einfach tun kannst was Du willst.
Dass du nicht gehen kannst wohin es dich verschlägt,
Sondern dass er dir sein Siegel einprägt.
„Du gehörst mir.“ Und nicht länger dir.

Liebe. Wir sehnen uns nach Liebe.
Wer schon mal ungeliebt war, weiß worum es geht.
Nämlich, auch wenn wir glauben, dass sie für immer besteht
Liebe bisweilen vergeht.
Und dann stehst du da mit einem gebrochenen Herzen wie Glas.
Und du musst es wieder zusammensetzen.
Stück für Stück ersetzen,
Bis du etwas neues bist.

Und du denkst dir: Damit das nicht wieder passiert,
Lieb ich einfach nicht mehr.
Und man merkt gar nicht wie man sich verliert.
In seinem eigenen, engen, gläsernen Herzen.
Und aus Angst vor den Scherben
Lässt man es sterben.

Frieden. Wir alle sehnen uns nach Frieden.
Wer schon mal in Krieg und Angst war, weiß worum es geht.
Wenn die Erde bebt. Und nichts mehr Ruhe findet.
Wenn man nachts nicht schläft sondern Zeit schindet
Bis zum nächsten morgen.

Und du fragst dich: gibt es denn nie Ruhe, nie Frieden
Kann ich denn nie Schlafen zwischen all diesen Kriegen,
Und dem Leid und der Angst.
Und während du so vor dich hin bangst,
Merkst du gar nicht, wie du selbst kämpfst in diesem Krieg,
Wie du selbst die Menschen um dich
Niederstichst.


Ich frage mich, leben wir denn nicht alle im Krieg und in Gefangenschaft?
Hatten wir nicht alle schon ein gebrochenes Herz?
Wir kennen alle eben diesen Schmerz.
Den Schmerz der Einsamkeit.

Wir stehen doch alle allein da.
So wie wir auf die Welt kommen, gehen wir auch, ist doch klar.
Und Anker halten uns nur davon ab
Hinzugehen wo wir hingehören, aufs Meer.
Wo wir doch nur eins sind: leer.

Wir werden doch eh alle fremdbestimmt.
Wie ein kleines Kind,
Taumeln wir durch die Welt
Und reißen auf dem Weg alles mit was nicht hochgestellt wird.
Aber je höher etwas ist, desto mehr wollen wir es erreichen.
Ohne Rücksicht auf Verluste.
Was Kümmert’s mich was aus meinem Nachbarn wird.

Obwohl es uns eigentlich kümmern sollte, und das wissen wir
Und eigentlich wollen wir es auch.
Aber wir gehören nicht mehr uns
Sondern ihm. Ihm der sagt:
Du gehörst mir. Und nicht dir.

Wer von uns schließt sich denn nicht ein? Wer kämpft denn nicht?
Wir alle sind allein,
Alle im Kampf,
Und sehen es nicht
Einmal, denn wir sind blind,
Und taub und stumm.
Und allein. Oder nicht?

Wer jetzt weiß worum es geht,
Der hebt mal die Hand.
Das hab ich mir gedacht.
Denn in diesem Land in dem wir von Freiheit schreien:
„Wir sind frei. Wir sind tolerant! Jeder darf sein
Wie er will“ und
Dabei sind wir eins ganz sicher nicht: frei.

Aber was ist wenn es jemanden gäbe.
Jemanden mit Schlüsseln.
Schlüssel für die Zellen und Ketten.
Jemanden der uns frei macht. Wirklich frei.

Einen der nicht nur sagt: du bist frei.
Sondern der es wirklich ernst meint.
Todernst.
Im wahrsten Sinne des Wortes.
Was wäre, wenn er in diesem Kampf kämpfen würde.

Den gibts. Ich schau ihm in die Augen während ich verstehe:
Dass ich nur wegen ihm lebe.
Dass ich nur wegen ihm atme.
Das versteh ich, während ich ihn schlage.

Ich treibe ihn vor mir her in seinen Tod.
Ich sehe wie er blutend und schmerzerfüllt zusammensackt.
Ich sehe wie er kämpft. Meinen Kampf.

Ich versuche nicht hinzusehen, während ich die Nägel
In seine Hände schlage.
Seine Hände, die mich tragen.

Und ich versuche nicht hinzuhören.
Doch ich höre die Masse röhren:
Kreuzigt ihn.

Und er schaut mich an
Und sagt: Vater vergib ihr.
Sie weiß nicht was sie tut.

Ich fühle wie er kämpft.
Wie er meine Schlachten schlägt.
Wie er meine Strafe trägt.

Dafür, dass ich mich gefangen nehmen lasse und nicht kämpfe.
Dafür, dass ich nicht liebe
Sondern lieber puzzeln spiele.
Dafür, dass ich ihn schlage, ihn verspotte, ihn umbringe.

Und auch alle andern. Dafür, dass es mir egal ist was mit euch passiert.
Dafür, dass ich lüge, stehle, spotte, neide, töte.
Dafür hängt er da.

Dafür müsste ich hängen.
Dafür müsste ich sterben.
Aber er stirbt in meinem Kampf, durch meine Hand.

Und jetzt ist er tot.
Und ich bin schuldenfrei aber todtraurig.
Weil ich ohne meinen Retter
Nicht sein kann.
Es kann doch auch nicht sein.

Denn seit diesem Tag,
Als er rief: tetelestai, es ist bezahlt,
höre ich nicht mir die Stimme
Die mir zuflüstert:
Du gehörst mir.

Denn das tue ich nicht.
Ich gehöre jetzt ihm. Aber nicht weil er mich gefangen nimmt,
Sondern weil ich ihm gehören möchte.

Mein Herz ist auch nicht länger aus Glas und Stein
Sondern aus Fleisch und Blut,
Und es tut gut es schlagen zu hören.
Aber gleichzeitig tut es weh, denn ich weiß
Das seins nicht mehr schlägt.

Ich gehe zu seinem Grab.
Will ihn noch einmal sehen, meinen Retter, meinen Held.
Doch was sehe ich:
Das Grab ist offen.
Es ist leer.
Leer wie ich einst war.

Da ruft er meinen Namen.
Den Namen den er mir gab,
Er der mich loskaufte und meine Ketten sprengte.

Und ich lauf in seinen Arm.
Und er fängt mich auf.
Und wir beide weinen.

Und vor Freude schrei
Ich: warum hast du das getan?
Er antwortet: Weißt du was mein Herz,
Ich gehe, du bist frei.

Seid diesem Tag bin wirklich frei,
Denn er nahm mir mein Herz aus Stein gab mir eins aus Fleisch
Und er nahm mir meine Angst und machte mich leicht.

Und seitdem will ich von ihm erzählen, meinem Held.
Jedem der es hören will
Und auch jedem der es nicht will.

Denn er ging
Und wir sind frei.