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"Verloren"
Autor: H. HartwichDatum: 02.02.2022
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Ich erinnere mich noch an meinen ersten Tag, voller Sprudelwasser war ich da. Stand tagelang im Aldi, gekauft wurde ich von einem Mark. Braune Haare, grüne Augen.
Doch statt mich zu recyceln und mir neues Leben zu schenken, entschied er sich dazu, mich einfach neben einer Parkbank wegzuwerfen. Mehrere Tage lag ich da. Sogar Wochen, Monate.
Die Zeit verging einfach nicht.
Erst lange Zeit später nahm mich jemand mit, ein Retter in orangenem Gewand, und ich wurde zu anderen Abfällen geworfen. Leere Säcke, Verpackungen, eine Kloschüssel. Ewig lag ich zwischen den Abfällen.
Die Zeit verging einfach nicht.
An einem Dienstag, das weiß ich noch gut, entsorgte man uns einfach im Gewässer. Freiheit dachte ich, doch frei schwimmen konnt ich nicht. Ich trieb und trieb im Wasser, sah Fische, sah Schildkröten und Haie, ja sogar Wale und Delfine gar. Mal kaute man auf mir herum, mal wurde ich verzehrt und mühsam wieder ausgeschieden.
Die Zeit verging einfach nicht.
Ich trieb ziellos im großen weiten Ozean. Vor und hinter mir, überall nur Wasser, Abfall, Restbestände alter Fischernetze.
Ich erinnere mich noch an meinen ersten Tag, voller Sprudelwasser war ich da.
Jetzt bin ich hier, verloren im Ozean, voller Dreck und Ausscheidungen, warte seit mehreren Jahrzehnten auf mein Ende.
Die Zeit vergeht einfach nicht.
Wie lange werde ich noch hier sein, gefangen in der Freiheit?