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"Schach"
Autor: Paula Malou DolinschekDatum: 29.10.2020
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Dass ich eigentlich gar nichts muss,
denke ich, während ich Dinge tue, die ich hasse.
Es ist das Kennenlernen meines Selbst, das ich hier grad verpasse.
Schon viel zu lang weiß ich gar nicht mehr, was ich eigentlich tun möchte –
Weil ich, um das zu wissen,
erst mal Zeit bräuchte.
Aber ich kriegs nicht geschissen,
mir mal frei zu nehmen vom Denken.
Ich hab ja nicht mal die Macht, zu lenken,
was da durch meinen Kopf spukt.
Ich hab mir das nicht ausgesucht –
Das Grübeln und die Angst.
Und das, was ich mache war oft echt gar nicht so geplant.
Trotzdem hat meine Psychologin es schon vorausgeahnt –
Weil, ich glaub, ich steh unter Zwang.
Mein Geist, er ist gefangen –
In den Erinnerungen, die mich prägen.
Ich kann schon mit Vernunft abwägen –
doch immer nur zwischen den Optionen, die ich kenne.
Ob ich das jetzt Willensfreiheit nenne?
Es fühlt sich an nach Qual der Wahl.
Geht doch immer nur um den nächsten Schachzug –
Dabei find ich Schach scheiße, war darin einfach noch nie gut.
Selbst meine Königin ist eingeschränkt –
In zwei Dimensionen.
Aber unmöglich, dass sie daran denkt –
Eher daran, den Sieg zu holen.
Sie kennt ja nichts anderes als Krieg.
Ob sie sich wohl manchmal fragt, obs da noch was anderes gibt?
Egal, all ihr Verstand macht sie nicht frei,
der erfasst auch nur das Brett,
bekommt die Wand, die ihn umgibt niemals entzwei,
die Sicht wird nie komplett.
Und sie hat sich das nicht ausgesucht –
Das Grübeln und die Angst.
Vielleicht würde sie viel lieber sagen 'Yo, fickt Euch und das System, ich fahr heut zum Strand!'
Wäre ihr dessen Existenz doch nur bekannt.
Ich glaub, sie steht unter Zwang.
Ihr Geist, er ist gefangen –
Irgendwo zwischen a1 und h8, den Kästchen, die sie kennt.
Ob sie das jetzt Willensfreiheit nennt?
Dass ich eigentlich gar nichts muss,
denke ich, während ich Dinge tue, für die ich mich selbst hasse.
Es ist das Kennenlernen meines Selbst, das ich grad nicht verkrafte.
Darüber sollte ich wohl lachen –
Weil ich mach lauter Sachen,
gegen die ich mich nicht wehren kann.
Ich weiß es ganz genau, Fuck man,
ich steh unter Zwang.
Wann hat das bloß angefangen?
Mein Spiegelbild weint und das macht mich verdammt wütend, weil ich schon weiß, was jetzt passiert –
Dass der gesund denkende Teil in mir wieder mal die Kontrolle verliert –
Über den ganzen Müll, mit dem mich diese Welt schon mein Leben lang füttert.
Verdammt, ich hab mir das nicht ausgesucht –
Das Grübeln und die Angst.
Mein Wille ist sich nicht mehr selbst Gesetz –
Denn das ist auch nur so ne Theorie,
Philosophie.
Sie scheint schön und logisch und genial –
Gibt mir für einen Moment das Gefühl, ich hätte eine Wahl.
Aber ich kann nicht sein, wie oder wer ich will –
Ich seh nicht länger einen Sinn darin,
zu versuchen, zu werden, die ich bin.
Es geht nicht.
Ich hab es mir so sehr gewünscht, doch ich kriegs nicht hin.
Ich glaub, ich steh unter Zwang.
Mein Geist, er ist gefangen –
Weil ich mehr so ein kontroverses Plural bin –
Aus all den Empfindungen, den Ängsten, den Stimmen in mir drin.
Immer wieder der Konflikt mit mir selbst, den ich schon kenne.
Ob ich das jetzt Willensfreiheit nenne?
Und was soll eigentlich dieses ständige Auswählen aus beschissenen Optionen?
Der ganze Aufwand für lauter unbefriedigende Aktionen.
Ich kann es nicht mehr hören.
Freiheit zu tun und zu lassen, was ich will?
Das ist auch nur so ne Theorie,
Philosophie.
Sie scheint schön und logisch und genial –
Gibt mir für einen Moment das Gefühl, ich hätte eine Wahl.
Aber ich steh mehr so auf Wahrheit.
Und die ist, dass das Kaputte in mir bleibt.
Das kann man nicht reparieren.
Nur reagieren,
in dem man sich vorher 10 Mal überlegt,
welchen Weg man von hier aus weitergeht –
Um irgendwie mit allem klarzukommen.
Aber da gibt es genau genommen
immer nur schlechte und noch schlechtere Möglichkeiten.
Nehm ich schwarze Kästchen oder die Weißen?
Weißt Du, ich hab mir das nicht ausgesucht –
Das Grübeln und die Angst.
Weißt Du, ich hab mir das nicht ausgesucht –
Mich hat nie jemand gefragt, ob ich überhaupt Bock auf Schach habe –
Trotzdem spiel ichs schon mein Leben lang –
Weil, ich steh einfach steht unter Zwang.
Mein Geist, er ist gefangen –
Irgendwo auf einem beschissenen zweidimensionalen Brett zwischen a1 und h8, in blöden Kästchen, meiner Welt, wie ich sie kenne.
Ob ich das jetzt Willensfreiheit nenne?
Dass ich eigentlich gar nichts muss –
Nur leb ich nicht in luftleerem Raum
und kann mir meine perfekte Welt erbauen
wie im Traum.
Es gibt doch immer Konsequenzen,
mit denen ich später leben muss.
Die mich eingrenzen
in meinem Entschluss.
Was soll nur dieses Auswählen aus beschissenen Optionen?
Der ganze Aufwand für lauter unbefriedigende Aktionen.
Wann hat sich das letzte Mal etwas 100 Prozent richtig angefühlt?
Dass ich eigentlich gar nichts muss…
Daraus zieh ich einen Schluss.
Einen über absolute Freiheit,
von dem ich hoffe, dass man ihn mir verzeiht.
Denn er scheint nicht schön, vielleicht logisch aber nicht genial.
Aber ich glaub, ich hab im Endeffekt doch eine freie Wahl –
Nur eine,
immer noch besser als keine.
Und Konsequenzen spürte ich davon nicht eine.
Dass ich eigentlich gar nichts muss,
führt mich immer wieder zu dem einen Schluss,
zu dem ich so nicht kommen wollte –
Und den ich dennoch benennen sollte.
Weil, ich steh mehr so auf Wahrheit.
Bin ich die Vorsicht eigentlich jemandem schuldig?
Ich hab mir das ja nicht ausgesucht –
Das Grübeln und die Angst.
Also was passiert, lauf ich jetzt einfach übern Rand?
Runter von dem Brett, raus aus den zwei Dimensionen –
Und lande im luftleeren Raum.
Nicht mehr gefangen in den Erinnerungen, die mich prägen –
Irgendwo zwischen a1 und h8.
Weit weg von der Welt, die ich kenne.
Ob ich mich trau und das jetzt Willensfreiheit nenne?
Ich war schon immer gut in Räuberschach.
Dass ich eigentlich gar nichts muss,
denke ich,
Schluss.