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"Die Wege des"

Autor: Egon Feddersen
Datum: 26.01.2020
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Die Wege des Herrn

Wie herrlich bunt erblüht der Mai,
wie wunderschön die Vögel jubilieren.
Ab heut’ ist der Kuckuck auch dabei,
wer wird denn da noch frieren!?

Der Himmel strahlt in hellem Schein,
ein leichter Wind weht her von Süden.
Er bringt den Fliederduft ins Haus herein,
er kommt vom Nachbarn drüben.

Die Wiese blüht in üppiger Pracht,
man fasst es kaum, wie schnell das geht.
Man meint, es geschah fast über Nacht,
und doch, die Zeit ist wie ein Hauch und es vergeht!

Vom Nachbardorf erklingt der Glocken heller Klang,
ihr Schall weit übers Land hin weht.
Durch die stillen Straßen führt der Menschen Gang
zur Kirche hin, sie ruft sie zum Gebet.

Gebückt, von Last und arbeitsreichem Leben,
beim schweren Gang stützt ihn ein Stab,
sieht man einen Mann zum Gotteshaus hinstreben.
Bevor er eintritt, steht er still vor einem frischen Grab.

Am alten Grabstein lässt sich lesen,
dass hier schon manche schwere Stunde schlug.
Dies ist die letzte Ruhstatt schon gewesen,
als er vor langer Zeit die Eltern hier begrub.

Im Kindbett starb die Tochter dann,
auch das Kind ging mit zur Ruh’.
Im Jahr darauf starb an Krebs ihr noch junger Mann,
vor Jahren kam sein einz’ger Sohn hinzu.

Vor kurzer Zeit hat jetzt die Frau er hier begraben,
der Schmerz ihm fast das Herz zerriss.
Dieses Grab kann jetzt nur noch einen haben,
ihn, der jetzt von der Familie der letzte ist.

Er wischt sich jetzt die Träne vom Gesicht,
dreht sich um und geht ins Gotteshaus.
Man singt das erste Lied, er kennt es nicht,
auch der Klang der Glocken ist schon lange aus.

Er betet still zu Gott, dem immer er zu Diensten war:
„Oh, Herr“, betet er, ganz still für sich allein,
„ich danke Dir, für Deine Gnade wunderbar!
Doch sage mir, was wird Dein nächster Schachzug sein?

Ich gab Dir Tochter, Sohn, Frau und Enkelkind,
bin jetzt mit Dir ganz allein.
Alle meine Lieben ich jetzt auf Deinem Acker find’,
was wird mit meinem Glauben an Dich als mein Gott sein?“

Er wartet auf ein Zeichen, das er auch versteht,
doch er hört nur den Chor, der langsam verklingt.
Er verlässt das Gotteshaus und geht,
vor dem Grab seiner Lieben er noch um Fassung ringt.

Langsam geht er zweifelnd heim,
sein Leben ihm so sinnlos deucht.
Er sieht nicht, wie der Frühling keimt,
sieht nicht, was da kreucht und fleucht.

Ein kleines Mädchen spielt derweil,
am Bach und füttert Enten.
Es spürt nicht Gefahr und Unheil,
es greift nach schwimmend Brot mit Händen.

Da rutscht es aus und fällt hinein,
kein Mensch sonst weit und breit.
Nur der Mann am Stock hört ihr kurzes Schrei’n,
zum Bach läuft er, so schnell er kann, es ist nicht weit.

Er entreißt das Kind den kühlen Fluten,
das Kind ist noch wohlauf,
bringt es zu den Eltern, er tut sich gerne sputen.
Die Mutter macht die Türe auf.

Der Mann erzählt ihr, was geschah, drunten an dem Fluss,
und will dann endlich heimwärts gehen.
Die Mutter haucht auf seine Wange ihm dankbar einen Kuss,
und sagt zu ihm, er bleibt noch ganz kurz stehen:

„Der Herr hat Ihren Schritt gelenkt gerad’ zu dieser Zeit.
Wir sprechen ein Gebet für Sie, wir können’s nicht bezahlen!“
Der Mann wendet sich, zum Heimweg jetzt bereit.
Ein Lächeln lässt sein Antlitz jetzt in andrem Licht erstrahlen.

Unergründlich sind die Wege des Herrn,
der Mensch vertraut sehr oft nicht drauf,
vergräbt sich im Leid und zweifelt gern.
doch Gottes Wille bestimmt seinen Lauf.

Heut’ hat er ihm deutlich klar gemacht,
dass nichts in seinem Dasein ohne Nutz und Sinn.
Das Lächeln seiner Lippen, das Kind, das wieder lacht,
brachte ihn zum Leben wieder hin.