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"Ex oriente lux"

Autor: Annelie Kelch
Datum: 19.02.2018
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Ex oriente lux: Aus dem Osten
kommt das Licht. –

Der heiße Atem der Sonne bläst
in die Wiege der Menschheit.
Der Meeresspiegel ist gesunken:
Wir sind wieder – unterwegs …

meistens auf Bäumen. Ich sammle
Gräser, Samen und Wurzeln
für meinen Südaffen und mich.

Er geht aufrecht und jagt.
Er schürt das Abendfeuer;
er malt mit dem Blut, das
aus unseren Wunden tropft,
die uns Tiere und Dornen rissen,
graue Felsen und Steine rot.
Ich kraule täglich sein Nackenfell –
mehrere Stunden lang.
So ausdauernd zärtlich wird
nach mir nur noch Lucy sein.

Zwischen uns macht sich
tiefes Schweigen breit; es
redet von Liebe; wir haben
viel Zeit, aber andere Sorgen
und hören kaum hin.

„Es wird kommen der Tag,
von da an werdet ihr leben
und euch lieben wie Menschen“,
prophezeite Gott, während wir
Eden im Zweistromland passierten. –
Vor diesem Tag fürchten wir uns
wie vor der Pest.

Doch ja, wir verfügen über Werkzeug:
drei Steinäxte in verschiedenen Größen.
Mit der schärfsten erschlug mein Südaffe
seinen Vetter, der mir ans Fell wollte.
Wir hörten von Amerika, auch dort …
sollen ähnliche Sitten herrschen.

Behaltet uns in guter Erinnerung, Freunde.
Unsere Tage unter der Sonne sind gezählt.
Bedankt euch bei den Schweinen und Antilopen.
Sie fressen fast so viel wie zivilisierte Menschen
und lassen nicht einen einzigen Halm
in der Steppe übrig.