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"Am Hafen"

Autor: Annelie Kelch
Datum: 25.09.2017
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Die großen Schiffe – damals,
sprengten fast den kleinen Hafen.
Ich hab so manche Nacht vergrübelt, wachgelegen.
So manche Nacht vergaß ich einzuschlafen
und machte mir umsonst das Leben schwer.

Wo kamen all die vielen fremden Schiffe her?!
Sie kamen aus Piräus, Cádiz und vom Schwarzen Meer:
'Odessa' stand einmal auf einem Heck gepinselt in Kyrilliza,
in einem dieser Sommerjahre, als ich fremde Flaggen liebte
und Dalida mit ihrem Regenlied – ich kam grad' in die siebte.

Es lag oft ein Gesang über dem Elbewasser,
darin vereinigten sich Orient und Oxident:
gingen gemeinsam mit der Morgenblüte auf ...
und abends auch gemeinsam wieder unter.

Da hing ein Fernweh über manchen Takelagen,
und zwischen Segeln spielte leis' das Abendrot Verstecken.
Ich schlief an heißen Tagen ein vor der Kulisse – und vor lauter Glück.
Dann kam mich irgendwann die beste Freundin wecken,
wollt' mir entgegenkommen – nur ein kleines Stück.

Wir balancierten wagemutig über dicke Taue an der Hafenkante,
es ist ein Wunder, dass ich niemals in das graue Wasser fiel.
Die Möwen lachten über unser Spiel;
sie waren für uns sowas wie Verwandte: Der Hafen war ihr liebstes Ausflugsziel.

In einem jener Sommerjahre, als ich fremde Flaggen liebte,
fand ich auch eines aus Shanghai am Pier - vom Gelben Meer.
Ich saß oft stundenlang auf dieser weißen Bank am Kai umher
und starrte auf das bunte Treiben auf den Promenadendecks,
hab manches Mal gedacht: Was wär', wenn du dich ganz leger an Bord schleichst und dich in den Aufbauten versteckst.

Dann würden sie zu Hause vielleicht weinen ...
und 'Mädel, komm bald wieder' statt die 'Die Csárdásfürstin' singen.
Ich aber wär' derweil in Shanghai, würd', als Maat verkleidet,
in Bars und Kneipen deutsche Seemannsständchen bringen.
Und auch den 'Tag, an dem der Regen kam', heraufbeschwören,
und mich beim Kneipenwirt über die Glasnudeln beschweren. -
Weil die zersprungen wärn: Der Suppenteller sei voll Scherben …
Zu Hause würde jemand zwischenzeitlich meine Kleider erben.

Sie aber würden warten, warten, und mich irgendwann vergessen. -
Ich jedoch kehrte eines Tages in die Heimatstadt zurück:
Auf einer komfortablen Dschunke – unter mindestens acht Segeln
und Koffern, randgefüllt mit purem Silber und mit Gold.
Sie würden mich umringen, wissen wollen, woher kommt das Glück?
Dann zuckte ich ganz lässig mit den Schultern und tät' sagen:
Das ist doch klar wie Kloßbrühe, ihr Lieben; der liebe Gott hat 's so gewollt.